Ludwig Tieck                         Die Kunst der Sonette

1773 – 1853

 

Hans                      Nun wandeln wir in grünen Lustbezirken.

Michel                    Es rauschen auch der Bienen holde Schwärme

                               Säuselnd dahin durch laue Frühlingswärme.

Hans                      Ein Duft weht her vom neuen Laub der Birken:

 

                               Drum muß der Mensch, Gevatter, Gutes wirken.

Michel                    Er muß, wenn auch manch kleiner Geist sich härme,

Und drob im Ungetüm der Pöbel lärme.

                                                               Hans                       Wer anders denkt, gehört zu Heid’ und Türken.

 

Christian tritt aus der Ferne auf:

                               So nehmt uns mit, wir gehn des Wegs; Hans, halt Er!

Kasper ebenfalls mit Christian kommend:

Bleibt Kerle stehn, ihr habt ja kein Versäumnis.

                                                               Hans                       Es sind der Pfarrer und der Herr Verwalter.

 

                                                               Michel                    Ich seh es wohl, das ist ja kein Geheimnis.

                                                               Christian                So wandle welt- und geistlicher Statthalter.

                                                               Kasper                    Und ein Sonett wird’s, gilt für einen Reim dies.

 

 

Der hohe Geist wird keine Schande dulden,

Ein kühner Sinn erkennet keine Schranken,

Wer feste steht, wird nicht so leichte wanken,

Doch junges Blut macht gar zu gerne Schulden.

 

Denkt, sechzehn Groschen machen einen Gulden;

Mit Brutus einst die besten Römer sanken,

wer Ruhe liebt, wird nur ungerne zanken,

Man sagt vergolden, aber auch vergulden. –

 

Du Eremit in deiner stillen klause

Belächelst wohl den warmen Sonnenschein,

Doch weis mich aus dem Labyrinth geschwinde:

 

Denn wie ich suchend irr, ich nirgend finde,

Was man Gedanken nennt, es scheint zu Hause

Kein Mensch, ich klopfe, niemand ruft: herein!

 

 

Ein edles Ebenmaß sucht keine Winkel,

Mit reiner Schönheit dort sich zu verbergen:

Wir sind wohl Riesen neben kleinen Zwergen,

Bei Riesen selbst vergeht uns dieser Dünkel.

 

Es eilt so manches sanfte Versgeklinkel

Mit holder Eil zu den papiernen Särgen,

Da kommen denn die übermüthgen Schergen

Und ziehn sie wieder an des Lichts Geblinkel.

 

Die liebevolle Güte will nicht strahlen,

Ein still Geheimnis paßt nicht auf den Markt:

Wer geht gern vor der Menge, wenn er hinkt?

 

Wenn ihr die Kinderchen also zerharkt,

Und rührt sie um zu wiederholten Malen,

Ist es nicht Eigenlob allein das stinkt.

 

 

Ein nett honett Sonett so nett zu drechseln

Ist nicht so leicht, ihr Kinderchen, das wett ich,

Ihr nennt’s Sonett, doch klingt es nicht sonettig,

Statt Hafer füttert ihr den Gaul mit Häckseln.

 

Dergleichen Dinge muß man nicht verwechseln;

Ein Unterschied ist zwischen einem Rettich

Und ritt ich, rutsch ich, rumpl ich oder rett ich,

Auch Dichten, Dünnen, Singen, Krähen, Krächzeln.

 

Drum liegt im Hafen stille doch ein Weilchen,

und lasset hier das kranke Schiff ausbessern,

Es zeigt mehr Leck als Schiff in seiner Fläche:

 

Noch lecker wird es, ihr bezahlt die Zeche,

Doch dünkt uns lecker nicht ein einzig Zeilchen;

Nach lauem Wasser kann kein Mund je wässern.

 

 

Verkünden will ich wundervolle Wunder,

Wer Ohren hat zu hören, der mag hören!

Nichts zu entweihn muß er zuvörderst schwören,

Dann wird ihm alles klarer und auch runder.

 

Von neuem brennt der alte Liebeszunder

Und droht das ganze Welt-All zu verzehren,

Die Rumpel-Kammer mag sich bald verkehren

Mit allen Schätzen in gar nicht’gen Plunder.

 

So lange Worte noch Gedanken tragen,

Wird man an Worten was zu denken haben,

Doch wie ich auch die Augen wisch’ und wasche,

 

So weiß ich doch, mein Seel, gar nichts zu sagen;

Ja, Freunde, da, da liegt der Hund begraben,

Geht, Wandrer, hin und weint auf seine Asche.

 

 

So wie ein Weiser schloß er seinen Lauf;

Wohltätig war er, tätig wohl zum Guten,

Dem freien Sinn konnt’ alles man zumuten,

Gebildet war er und gekläret aus.

 

Jeglichem Streben war er oben drauf,

Nie ruhig wußt’ er sich also zu sputen,

Daß selbst die Meister gegen ihn Rekruten:

So exerziert er Tag, Nacht, ohn Verschnauf.

 

Moral, Choral, Frugal und Ideale,

Real, Sentimental, die Ale alle

Wußt’ er an seinen Pfoten abzuzählen.

 

Wie muß der Zeit doch dieser Edle fehlen!

Die Bildung all’ sank in des Orkus Halle,

Wir weinen an der Urn’ im stillen Tale.

 

 

Wer einmal hat die leuchtenden Azurnen

Durchspäht mit seinem Adlerblick, dem kühnen,

Der irrt nicht auf den hohen Himmelsbühnen,

Wie sich, kennt er die schaffenden Naturen.

 

Mutigen Schritts geht auf den Sternenfluren

Er lächelnd mit dem All sich zu versühnen,

Er weiß, wie Blümen blühn und Pflanzen grünen,

Licht glänzt, gehn, fliegen, schwimmen Kreaturen.

 

Derselbe Mann, den ich muß tief verehren,

Derselbe Mann, der so beschuht zum Wandern,

Derselbe Mann, auf dieser hohen Leiter,

 

Kommt mit der Zeit vielleicht noch immer weiter,

Ist, Wunder, o ein Mensch nur wie wir andern,

Noch mehr, kann dieses Lob beinah entbehren.

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Erstes Finden

1773 – 1853

O süße heil’ge Nacht, als hohe Bäume

Mit Geisterstimmen durch das Dunkel rauschten,

Gespräch und Wort dort mit dem Strome tauschten,

Der Mond aussandte sanfte Liebesträume.

 

Da fühlt ich euch, ihr hohen Sternenräume!

Des Herzens Wünsche bang und freudig lauschten,

Dein Wort, dein süßes Reden, sie verrauschten,

Ich schalt mich selbst, daß ich so lange säume.

 

Kein Blick kam zu dir durch das grüne Dunkel,

Ein Druck der Hand nur sollte dir es sagen,

Was Sternenschrift am hohen Himmel brannte.

 

Da schwandest du hinweg, ich, der Verbannte,

Sah träumend nach dem scheidenden Gefunkel

Und mußte nun dem Walde einsam klagen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Grabschrift eines Nikolaiden

1773 – 1853

So wie ein Weiser schloß er seinen Lauf,

Wohltätig war er und tätig wohl zum Guten,

Dem freien Sinn konnt alles man zumuten,

Gebildet war er und gekläret auf.

 

Jeglichem Streben war er oben drauf,

Nie ruhig, wußt er sich also zu sputen,

Daß selbst die Meister gegen ihn Rekruten,

So exerziert’ er Tag, Nacht, ohn’ Verschnauf.

 

Moral, Choral, Frugal und Ideale,

Real, Sentimental; die Ale alle

Wußt er an seinen Pfoten abzuzählen.

 

Wie muß der Zeit doch dieser Edle fehlen!

Die Bildung all sank in des Orkus Halle,

Wir weinen an der Urn’ im stillen Tale.

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Poesie

1773 – 1853

Hinblickend zu des Lebens wüsten Meeren,

Versteh ich, wie wir alle irren müssen,

Wie wir von wind und Wellen hingerissen,

Rund angekämpft, fortschweben in den Leeren.

 

Was hilft’s mit Schwert und Schild sich zu bewehren?

Was frommt bei Sturm und wilden Regengüssen

Auch der Magnet und unser bestes Wissen?

Wir werden nimmer so zum Hafen kehren.

 

Doch will ein freundlich’ Feuer sich erhellen,

Das froh erglänzt von hoher Türme Zinnen,

Dann weiß das Schiff, wie es die Segel richte.

 

So ward ich früh gelenkt von deinem Lichte:

Die Poesie ließ mich den Weg gewinnen,

Zur Heimat trugen mich die goldnen Wellen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Trost

1773 – 1853

Schwer hängen an der Weltuhr die Gewichte

Und treiben sie doch langsam nur zum Gange,

So manche Tugend geht bei uns im Schwange,

Doch stehn wir, Freund, uns selber oft im Lichte.

 

Die Menschheit schreitet fort und manchem Wichte

Wird bei den vielen Widersprüchen bange,

Fast jeder fragt, wohin er denn gelange,

Und zweifelt immerdar an dem Berichte.

 

Doch lache nur ob diesen ernsten Possen,

Laß nur den Wagen unbekümmert fahren

Und glaub, er werde wo die Fracht abladen.

 

Noch werden wir auf steingem Weg zerstoßen,

Dort seh ich schon den Sand vor mir, den klaren,

Und sieh, der Korb mit Wein nahm keinen Schaden

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Leben

1773 – 1853

Wie vieles Leben ist verhülltes Sterben!

Wie mancher wird im Sterben erst erwachen!

Wie wen’ge nur die Glut zur Flamme fachen!

Wie Seltne Lebensmut mit Leben erben!

 

Sie dünken sich zu sein, entfliehn dem herben

Gefühl des Seins und in verworfnen Sachen

Soll ihnen Himmelsglanz entgegen lachen,

Auf die Verwesung geht ihr eifernd’ Werben.

 

Nur taumelnd, unbewußt schreiten sie weiter,

Krank, tiefbetrübt in buntgemengten Horden,

Nicht sterbend, lebend nicht, ohn’ Leid und Wonnen.

 

Schau ich zur Sternennacht, so frag ich heiter:

Durch welch Verdienst ist dir die Gnade worden,

Daß dich die Freud’ anlacht aus diesen Sonnen?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Schaubühne

1773 – 1853

Wenn Pflicht sich in des Schicksals Rad verflicht

und Tugend eifrig immer schneller drehet,

Dann wird ein edles Herz hinweg gemähet,

Das in den letzten Liebesseufzern bricht.

 

Die Liebe paßte zu den Pflichten nicht,

Ein ungeschickt Schicksal ward hergewehet

Und selbst fällt der, der noch so feste stehet;

Ja wohl ist das ein rührendes Gedicht.

 

Bestimmung Schicksal, du Verhängnis, Faktum,

Wann wirst du doch gehängt und fortgeschicket,

Wann brennt denn aus der dampf-rauchvolle Krater?

 

Erleb ich nur recht balde dieses Datum,

So geh’ ich, was man auch dort näht und flicket,

Von neuem mit Pläsier in das Theater.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Novalis

1773 – 1853

 

I.

 

Es steigen alle Kräfte aus dem Kerne,

Und wurzeln in ihr stilles Herz zurücke,

So gibt Natur uns tausend Liebesblicke,

Damit der Mensch der Gottheit Liebe lerne.

 

Ich weihe mich dem großen Schauspiel gerne,

Und wenn ich mich am vollen Glanz erquicke,

Führt mich zum Himmel eine lichte Brücke,

Ich fühl’ in mir den Schwung der hohen Sterne.

 

Doch weilt mein Aug’, wenn heit’re Lüfte spielen,

Am liebsten auf der bunten Welt im Maien,

Ausblumend, duftend und in Farben brennend.

 

So, liebster Freund, das Höchste sanft erkennend

Will ich mich dein und der Magie erfreuen,

Den Wundergeist in süßen Bildern fühlen.

 

 

II.

 

Wer in den Blumen, Wäldern, Bergesreihen,

Im klaren Fluß, der sich mit Bäumen schmücket,

Nur Endliches, Vergängliches erblicket,

Der traure tief im hellsten Glanz des Maien.

 

Nur der kann sich der heil’gen Schöne freuen,

Den Blume, Wald und Strom zur Tief’ entrücket,

Wo unvergänglich ihn die Blüth’ entzücket,

Dem ew’gen Glanze keine Schatten dräuen.

 

Noch schöner deutet nach dem hohen Ziele

Des Menschen Blick, erhabene Gebehrde,

Des Busens Ahnden, Sehnsucht nach dem Frieden.

 

Seit ich dich sah, vertraut’ ich dem Gefühle,

Du müßtest von uns gehn und dieser Erde.

Du gingst: fahr wohl; wir sind ja nicht geschieden.

 

 

 

III.

 

Wann sich die Pflanz’ entfaltet aus dem Keime,

Sind Frühlingslüfte liebliche Genossen,

Kommt goldner Sonnenschein herabgeflossen,

Sie grünt und wächst, empfindet süße Träume.

 

Bald regt sie sich, in Ängsten, daß sie säume,

Luft, Sonne, Wasser, die sie schön genossen,

Macht quellend Leben und den Kelch erschlossen;

Nun ist es Nacht, sie schaut die Sternenräume.

 

Da fühlt sie Liebe, und den stillen Lüften

Giebt sie, von tiefer Inbrunst angesogen,

Den Blumengeist und stirbt in süßen Düften.

 

So wurdest du zum Himmel hingezogen,

Sanft in Musik schiedst du in Freundesarmen,

Der Frühling wich, und Klagen ziemt uns Armen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Sophia

1773 – 1853                                       

Schön ist’s, wie Berge auf zum Himmel steigen,

Wie sich der Strom im ewgen Leben reget,

Der laute Sturm mit seinen Flügeln schläget,

Der grüne Wald mit seinem dunkeln Schweigen.

 

Noch schöner, wann sich rote Flammen zeigen,

Der Sonnenkranz im Schimmer sich beweget,

Rot-brennend auf den Meeresspiegel leget,

Glühwolken sich zu seinen Füßen beugen.

 

Sie sind geheimnisvolle Hieroglyphen.

Ein stilles Wunder weiß ich noch zu nennen,

Du kennst die Sage vom Karfunkelsteine,

 

Des Strahlen, auch entfernt vom Sonnenscheine,

Magisch mit eignem innern Feuer brennen,

Wo sonst kein Licht wohnt, in der Erde Tiefen.

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Der Jüngling

1773 – 1853

O Wald, was sagst du? welch ein süßes Blicken

Von Blumen will mein Leben in sich ziehen?

Wasser, steht still, mir dünkt, es will entfliehen

Ein Wort in eurem Strom, mich zu beglücken.

 

Sonne, du willst mir Licht herniederschicken,

Die Farben, die in Blumen sterbend blühen,

Glanz, der im Grün erlöschend nur kann glühen, -

Wozu Gesang, Strom, Licht und Blumenpflücken?

 

Wie tiefe Nächte dehnt es sich im Innern,

Wie Morgenrot will es die Nacht verschlingen,

Wie milder Abend fließen müde Scheine.

 

Uneinig trennt sich alles im Vereine:

Wie alle Kräfte zur Besinnung ringen

Kann ich nicht, was ich bin, mich selbst erinnern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An einen jüngeren Dichter

1773 – 1853

Ist’s mir versagt, mein Tagwerk zu vollbringen,

Soll mir das Licht des Tages bald verschwinden,

Wird mich die Nacht froh und gerüstet finden,

Was ich gewollt, wird künftig dir gelingen.

 

Vertrau den kühnen jugendlichen Schwingen,

Laß nimmer dich von Furcht und Zweifel binden,

Nein, röter muß die Rose sich entzünden,

Ihr duftend Blut durch alle Blätter dringen.

 

Du kennst den grünen Wald, des Himmels Bläue,

Du hast von seliger Musik getrunken,

Den ewgen Rausch dem goldnen Kelch entnommen,

 

Du weißt, was uns der große Wahnsinn leihe,

Das Dunkel ist auf immer dir versunken,

Ein unauslöschlich Morgenrot entglommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Die heilige Cäcilia

1773 – 1853

 

I.

 

Es steht die holde Jungfrau im Betrachten,

Wie sich Geräusch und wilde Freude mehret,

Ihr Herz, Gemüt ist still in sich gekehret,

Sie kann auf Freunde, Bräutigam nicht achten.

 

Und wie die Gäste drinnen tobend lachten,

Wird ihr der Geist mit Traurigkeit beschweret,

Nun fühlt sie erst, was sie verliert, entbehret,

Nach Gott und Christum muß ihr Busen schmachten.

 

Es klingt die wilde Pfeife schon zum Reigen,

Verwegne Klänge schrein im Übermute,

Es droht und lärmt das weltliche Getümmel:

 

Da sieht ihr trunknes Auge nach dem Himmel,

Ihr Herz verklärt die Tön’, in ihnen steigen

Gebete auf zu ihrem höchsten Gute.

 

 

II.

 

Warum, ihr Menschen, so spricht sie in Klagen,

Daß ihr so gern dem Himmel euch entziehet?

Euch ruft so Furcht, als Lieb und Lust: entfliehet!

Die Töne macht ihr wild, bis sie verzagen.

 

Wie könnt ihr Erz und armes Holz so plagen

Euch selber quälend? Daß kein Herz erglühet,

Im liebenden Gesang zum Himmel blühet,

Aus tiefen Nächten zu den heitern Tagen?

 

Verschmäht Metall, verachtet Holz, verschönen

Will ich den Stand, euch Mund und Zunge leihen,

Erretten euch von Sünd’ und wildem Toben,

 

Ihr sollt auch Gott, der euch erschaffen, loben,

Den Kirchendienst soll meine Orgel weihen,

Den Glauben stärken mit allmächt’gen Tönen.

 

 

 

III.

 

Jungfrau bleibt sie vermählt, den Himmelstoren

Entsteigt ein lichter Engel, ihrem Flehen

Rauscht lieblich tönend seiner Flügel Wehen,

Er singt: der Herr hat dich als sein erkoren.

 

Da weint sie, daß der Bräutigam verloren,

daß er den Bronn des Lebens will verschmähen;

Kann dieser Blick, spricht er, den Engel sehen,

So sei alsbald der Götzendienst verschworen.

 

Sie wirft sich betend nieder: laß nicht rauben

Dies edle Herz, im Zweifel nicht erblinden!

Er sieht den Seraph, glaubt, vom Licht getroffen.

 

Doch fester steht des frommen Christen Hoffen,

Er hört wie alle Orgeltöne künden:

Ja, selig sind, die nicht sehn und doch glauben.

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Friedrich Tieck

1773 – 1853

Grad’ aufrecht strebt der Eichbaum zu den Lüften

Auf niedre Dächer schaun die hohen Thürme,

Durch Wald und Flur gehn Herrschergangs die Stürme,

Sie brausen nie in unterird’schen Klüften.

 

Im Dunkeln wohnt der Drachen wild Gewürme,

Es steigt der Held zu ihren tiefen Schlüften,

Zagt nicht vor Tod und der Verwesung Grüften,

Kämpft freien Muths, wie sich das Scheusal thürme.

 

Erobernd darf der Mann die Kunst besiegen,

Den Wall hinauf mit kühnem Auge rennen,

Aufpflanzend dort die glänzende Standarte.

 

So stieg Buonarotti’s Kraft zur Warte;

Wie weit vom höchsten Ziel dich Klüfte trennen,

Du siehst die Siegesfahn’ in Lüften fliegen.

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An August Wilhelm Schlegel

1773 – 1853

Schon fängt die alte Nacht sich an zu hellen,

Und wieder scheinen licht aus klarer Ferne

Die hohen Bilder, freundlich liebe Sterne,

Piloten auf der weiten Bahn der Wellen.

 

Wen kümmert’s, daß die Hund’ am Ufer bellen?

Besteig’ dein Schiff mit frohem Muthe gerne,

Such’ fremdes Land und Meer, sieh’ neue Sterne,

Dir werden Geister freundlich sich gesellen.

 

Es steigt der Britten höchster lächelnd nieder,

Und Calderon, den Kränze bunt umglühen,

Der Minnesang im Goldgewand; erblühen

 

Nun will Italien, uralt heil’ge Lieder

Vom Ganges wachen auf, und rundum brennen

Trophä’n, die dankbar deinen Namen nennen.

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Andenken

1773 – 1853

Ein grüner Wald, des Stromes klare Welle,

Des Berges Hang, der reizend sich erhebet,

Die Blume, die am schlanken Stengel schwebet,

Der Sonnenschein, des blauen Himmels Helle;

 

Sie rühren in der Brust die goldne Quelle,

Die sehnsuchtsvoll nach hoher Schönheit strebet,

Wenn sich im Mädchen Schönheit selbst belebet,

Verstehn wir Wald, Berg, Strom und Blumenhelle.

 

So wenn ich nun die Waldung wiederfinde,

Den reinen Quell, will ich den Berg ersteigen,

Kommt in die Seele mir dein Bild gelinde.

 

Freundschaft und Lieb’ hält die Natur verbunden,

Will sich für Wald und Quell im Bilde zeigen,

Gedenke unser in den guten Stunden.

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Aus dem ungedruckten Roman:

1773 – 1853                                        Alma, ein Buch der Liebe

 

 

Was ist doch, fragt der Irdische, die Liebe? –

Für euch, ihr Armen, nur ein tief Verhüllen,

Ein dunkler Tod im eignen Widerwillen,

Ein Aengsten, das gern stumm verschlossen bliebe.

 

Doch wen anlächelt Aug’ und Mund der Liebe,

Der fühlt im Herzen Wundertöne quillen,

Ein selig Ahnen, niemals zu erfüllen; -

Wozu, daß ich den Geist im Wort beschriebe?

 

Wem einmal Töne, Lichter, Farben, Sterne

Geschwisterlich aufgingen, und im Blühen

Aus Thränen ihre Nahrung sog die Blume:

 

Fühlt der in Gott ein Nahe noch und Ferne?

Muß nicht sein Herz in Ewigkeiten glühen?

Antworte du, wohnend im Heiligthume.

 

---                                                         

 

Du forderst von mir, Alma, diese Sünde,

Ein heilges Wort, das Trauer durfte sprechen,

Mir Trost zugleich, mutwillig zu zerbrechen,

Ein sehnend Leid, wie Frühlingsluft gelinde.

 

Und wie das Lied ich sinnend lös’ und binde,

Erscheint mir mein Beginnen ein Erfrechen,

Ein jeder Laut will meine Seele stechen,

Wie wenn ich kalt vor diesen Tränen stünde.

 

So muß ich mit Gewalt mich selbst bezwingen;

Erst rührte mich der Inhalt dieser Klagen,

Jetzt mehr, daß ich gefühllos sie soll meistern.

 

So muß ich sprechend auch zu Boden ringen,

Was immer dir die Seele möchte sagen,

Nur stummes Weinen bebt in allen Geistern.

 

---                                                         

 

Doch lieblich ist dies Lied nunmehr vermischet,

Es liegt mein Wort dem deinigen am Herzen,

Mir ist, als säh ich spielend Engel scherzen,

Wie Ton sich liebevoll im Ton erfrischet.

 

Und wenn mir alles Leben nun erlischet,

So brennen doch die beiden schönen Kerzen,

Sie leuchten nun von selbst zweifache Schmerzen,

Was jeder klagt unkenntlich hier vermischet.

 

Wie süße Ahndung, daß zur dunklen Pforte,

Zur ewgen Mutter, zu der unbekannten,

Ein unnennbares Weh mich niederziehet!

 

Ich weine nicht, daß mir kein Frühling blühet,

Da mir sie deine süßen Lippen nannten,

Sind Tod und Grab mir nun die schönsten Worte.

 

---                                                         

 

Zeit ist’s, ich fühl es, endlich zu beschließen,

Denn auch Maria will nicht mehr beschirmen,

Sie gibt dich preis den Wettern, die sich türmen,

Kein Stern soll mir in öden Nächten sprießen.

 

Weh mir! das Morgenrot mich wollte grüßen,

Ein lächerlnd Blicken, herzlich, lieblich Schirmen!

Nun, Herz, vergeh sogleich in schnellen Stürmen,

Laß nicht dein Leben tropfenweis vergießen!

 

Die Nacht empfängt mich wieder, ödes Schweigen,

Ein schwarz Gewässer, Gram, Qual, Angstz und Weinen:

O Licht! o Blick! was mußtest du dich zeigen?

 

Mir schadenfroh in meiner Wüst’ erscheinen,

Daß dieser Schmerz mir auch noch würde eigen?

Und keinen Blick und Trost, Maria? – Keinen!

 

---                                                         

 

Das war es, was mir Ahndung wollte sagen,

Das bange Herz, das heimlich oft im Beben

Mir eine treue Warnung hat gegeben:

Du sollst, du sollst noch nicht dein Letztes wagen.

 

Welch Kind hab’ ich empfangen und getragen!

Der größte Schmerz führt schon in mir sein Leben,

Bald wird er reißend nach dem Lichte streben,

Dann wird das matte Herz von ihm zerschlagen.

 

So blute denn mit Freuden, Todeswunde,

Fühl’ noch, o Herz, im Schmerz die lichten Blicke,

Das süße Lächeln, höre noch die Töne,

 

Durchdringt dich ganz im Tiefsten, welche Schöne

Aufstrahlt’ im Lächeln, Klang, zum Liebesglücke, -

Dann fühl’ dein Elend, brich zur selben Stunde!

 

---                                                         

 

Was hast du mir denn, Leben, schon gegönnet,

Daß ich als Gut dich teuer sollte schätzen?

Warst du ein gier’ger Dolch nicht im Verletzen

Der Brust, die immerdar in Wunden brennet?

 

Der liebe dich, der dich noch nicht erkennet,

Wer blind unwissend lüstert deinen Schätzen:

Magst du nur Weh und Jammer auf mich hetzen,

Dein wildes Heer, das uns zum Grab nachrennet:

 

So kann ich auch als argen Feind dich hassen;

Nur nicht mehr täusche mit holdselgen Mienen,

Zeig mir dein Furien-Antlitz, Haar von Schlangen!

 

Davor wird nie mein starkes Herz erbangen:

Doch daß du mir als Liebe bist erschienen,

Den Trost, Schmerz, Trug, weiß ich noch nicht zu fassen.

 

---                                                         

 

Nie hat die Eitelkeit mein Herz betrogen,

Um leeren Sinn’s mit Liebe nur zu spielen,

Und wollten schöne Augen nach mir zielen,

Hat blöde sich mein Sinn zurück gezogen:

 

Nie hab’ ich Lust, nie Schmerzen mir gelogen,

In Ahndung und Gedicht mich selbst zu fühlen,

Ein frommer Zweifel löschte mit dem kühlen

Gewässer jeden Brand mit sanften Wogen.

 

Zuerst muß ich das Wort mir selber sagen,

Jetzt weiß ich ohne Trug, ich leb’ und liebe,

Dies Eine nur sei Glück mir und Verderben.

 

Empfind’ es, Herz, verschließ, o Mund, die Klagen!

Beglückt, wenn ich auch unverstanden bliebe,

Gern will ich doch der einzgen Liebe sterben.

 

---                                                         

 

„Woher, du süßer Ton mit deinem Klingen?

Der wie ein Zauber blitzend in mich schläget,

Daß furchtsam sich das Herz nur zitternd reget,

Vor Sehnsucht, Lust, vom Auge Tränen rinnen?“

 

„Siehst du denn nicht, wie dieses holde Singen

Sich von dem Glanz der Lippen herbeweget,

Vom Mund, der roten Liebreiz in sich heget?

Den süßen Flammen muß sich Feu’r entschwingen.“

 

„Ja, peinigend versehrst du, doch die Flammen

Trösten im Brande, Tod wird zum Entzücken,

In diesen Gluten fühlt mein Herz sein Leben,“

 

„Weil diese Tön’ dem Geiste selbst enschweben;

Der ist ein Liebesothem, Trost, Erquicken:

Aus Liebe nur kann Ton der Liebe stammen!“

 

---                                                         

 

O lichtes Strahlen dieser holden Blicke!

Die Himmel selbst, die sich aus euch ergießen!

Lächeln, willst du auf roten Lippen sprießen,

Ist mir, als ob ich Himmelsfrucht erblicke.

 

Ton! Wort! Gesang’ o Wahn! o holdes Glücke!

Wehmut und heitre Lust hernieder fließen,

Des Herzens Schmerz in Andacht zu versüßen!

Welch Lied kann singen, wie ich mich beglücke?

 

Nur heilge Tränen können es verkünden,

Wenn im Gebet sie aus den Augen fluten,

Im heitern Licht die Geister sich entzünden,

 

Dann läutert sich in der Entzückung Gluten,

Dann reißt, was mich der Erde will verbinden,

Wenn Lieb und Alma aus den Wunden bluten.

 

---                                                         

 

Viel Wunder in der Dichtung Garten blühen.

Es drohet als verschlingend Ungeheuer

Allem, was lebt, das hunger-grimme Feuer,

Mit seinem Raub dem Abgrund zuzufliehen:

 

Nur einer Kreatur dräut nicht sein Glühen,

Dem Salamander zeigt es sich getreuer,

Der fühlt sich in der Heimat, hold und teuer

Ist ihm rundum der Flammen rotes Sprühen.

 

Dies ist ein Bildnis treuer Liebesherzen:

Bist du mir nah, bin ich umweht von Flammen,

Und jeder Blick saugt heiß an meinem Blute,

 

Doch lebt das Herz so mehr im Liebes-Mute,

Als um mich näher schlägt der Brand zusammen,

Erlischt er, töten mich der Sehnsucht Schmerzen.

 

---                                                         

 

Wie Wiesen nach dem Gruß der Quellen schmachten,

Die Saaten nach dem ersten Frühlingsregen,

Die Fluren hoffen auf der Sonne Segen,

Daß Wies’ und Feld in heitern Farben lachten;

 

Wie grüne Waldeszweig’ in stillem Trachten

Warten auf Wind und Vogelsang; es regen

Träumend den Sternen Blumen sich entgegen,

Bis von dem Schlaf die bunten Augen wachten:

 

So tot und dürr ist meines Geist’s Gefilde,

Alma, wenn du in Träumen mich umgeben,

Stillharrend auf den frühen Schein der Augen,

 

Aus diesen Sonnen muß ich Labung saugen,

Dann führt Frühling in mir sein junges Leben,

Blühn auf und prangen liebende Gebilde.

 

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Wann ich in tiefen Nächten einsam sinne,

In tiefes Leid andächtig mich versenkend,

Den durstgen Schmerz mit Sehnsucht, seufzern tränkend,

Im Innern meine Qual, mein Glück gewinne:

 

O dunkle Lust! Schmerz-Glanz! göttliche Minne!

So sagt mein Herz; dich Alma, dann gedenkend,

Den müden Geist zum Paradiese lenkend

Fühl’ ich, wie heiß der Strom der Tränen rinne.

 

Da klingt dein Ton wie ferne Nachtigallen,

Schlägt zitternd mit den Flügeln mir im Herzen,

Es tönt, als wenn von Bergen Quellen fallen.

 

Die Nacht quillt um mich auf in Frühlingslauben,

Zu Wunderblumen werden alle Schmerzen,

Dich muß ich dann und ew’ge Liebe glauben.

 

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Oft will die Erde zürnend mich erfassen,

Wie Felsen steigt es stürmend in die Seele,

So daß ich mich in grimmen Zweifeln quäle,

Als müss’ ich Lieb’ und Herz und Himmel hassen.

 

Dein süßes Bild hat furchtsam mich verlassen,

Nichtsein und Tod ist was ich dann erwähle,

Doch wie das leere Herz im Trotz sich stähle

Muß ich der leeren Öde bang erblassen.

 

Wie Geisterhände wohl an Harfen rühren,

Daß sie im Traum von Liebe widerklingen,

So in mein Lied sich tauchen Engelhände;

 

Wie ich vom Tod den Blick ins Innre wende,

Sie, Alma, mir dein Bildnis wiederbringen,

Es im Triumph auf meinen Tränen führen.

 

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Wie fliegend auch fortstürzen die Gedanken,

Die schnellsten müssen schwindelnd stille halten,

Wenn sie das Bild der Ewigkeit, der alten,

Im Abgrund schauen, hier sind ihre Schranken.

 

Der Liebe Allmacht will entgegen ranken

Dem Herzen aus den tausendfach Gestalten,

Erbebend muß das Herz in Angst erkalten,

Im eignen Innern will die Liebe wanken.

 

Vom Abgrund dieser Lust, des Wahns, der Schmerzen,

Hat mich, Maria, weggeführt dein Bildnis,

Das mir in lichter Glorie erschienen:

 

Liebe, ein froher Bach, rauscht in dem Grünen,

Liebe tönen die Zweig’ in süßer Wildnis,

Und Alma’s Blick blüht im geheimsten Herzen.

 

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Ihr kindisch spielenden unschuldigen Reime,

Was zwingt ihr mich mit lockendem Geschwätze,

Daß ich vertrauend liebend in euch setze

Von Liebesleid und Lust die zarten Keime?

 

Laßt ihr aus ihnen wachsen grüne Bäume,

Daß sanft Geräusch im Alter mich ergötze,

Mich süß erinnernd an des Herzens Schätze,

In Zweigen spielend meine Jugendträume?

 

Seid ihr so fromm und gut, will ich versprechen,

Mag Musenkunst und Jugend von mir ziehen,

Kein Blatt aus diesem Götterhain zu brechen,

 

Ja jeder Sturm soll diesen Garten fliehen,

Wer lieblos naht, den soll die Rose stechen,

Mir und der Liebsten Duft und Farbe blühen.

 

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Es war der Glaube alter Astrologen,

Daß, wenn Verfinstrung kam dem Sonnensterne,

Es Unglück deute, bis zur fernsten Ferne;

Sie lehrten, wenn ihn Dunkel überzogen,

 

Dann sei der Lichtplanet uns nicht gewogen,

Des Segens Kräfte matt, wie sie auch gerne

Die Welt durchziehn. Die schule, wo ich lerne,

Sagt stündlich mir, daß sie sich nicht betrogen.

 

Wenn ihre Augen auf die mein’gen blicken,

Und ich mich ganz in seligkeit muß fühlen,

Lebendig, gläubig, voller Lieb’ und Freuden,

 

Ein Fremder mich von ihrem Blick will scheiden,

Dann rück’ ich aus der Sonne schnell im kühlen

Schatten, und in Angst stirbt mein Entzücken.

 

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Wer hat des Himmels Bläue tief genossen,

Den inngen Blick aus den azurnen Lüften,

Den Blumenkelch, das Aug’ in süßen Düften,

Den klaren Quell, vom grünen Licht umflossen?

 

Aus allem ist mir oft ein Aug’ entsprossen,

So fand ich Sehnsucht, Lieb’ in Steinesklüften,

Ein träumend Liebes-Echo selbst in Grüften,

In Wald, Berg, Tal und Fluß meine Genossen.

 

Wie ward mein Herz im Innersten erschüttert,

Als lichte Töne flogen wie die Tauben,

Die in der Sonne wie klar Gold erfunkeln:

 

Ein Blick, blau, hold, sich auftat aus dem Dunkeln

Nun kann ich erst an Stern und Auge glauben,

Seit mir im Herzen dieses Blicken zittert.

 

---                                                         

 

Göttliches Licht, der Augen spielend Wesen,

Nie hab’ ich Blick, Gruß, Augenkuß verstanden,

Drohende Bitten, blitzend Flehn, in Banden

Des Lichtes war ich niemals noch gewesen.

 

Ich kann von dieser Krankheit nicht genesen,

Und will nicht, könnt’ ich selgen Zauberlanden

Einheimisch nun, wo alle Zweifel schwanden,

Gelehrt in Sternenschrift und tiefbelesen.

 

Ja, Sterne sind sie, sie sind lichte Bronnen,

Blumen, ihr Sehn ist wie ein Liebestauen,

Bienen sind meine Blicke, die sie saugen,

 

Himmel ihr Antlitz, sie die ew’gen Sonnen,

Mein glänzend Schicksal, dem will ich vertrauen,

O mehr als Alles, sie sind Alma’s Augen.

 

---                                                         

 

Ihr Augen, Auen, wo die Engel spielen,

Ihr Blicke, Blitze, leuchtend angezündet,

Du Sehn, ein Segen, welcher kommt und schwindet,

O Strahl, ein Stahl, gezückt nach mir zu zielen!

 

Wie muß ich doch Strahl, Segen, Blitze fühlen,

Weil alles sich im farbgen Licht verkündet,

Der süße Krieg stets meine Blicke findet,

Die heiß sich gern in diesem Spiegel kühlen.

 

So steigt das Licht herauf zur Augenquelle,

Wie Lust, Schmerz, Sehnen, Ahndung sich entzücke,

Im Regenbogen sie versöhnend weben:

 

Oft brennt der Schmerz, das Liebesfeur zu helle,

In Tränen löscht der Glanz zu sonnger Blicke,

Auf Wassern wieder milde Geister schweben.

 

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„Jo sempre t’amero,“ sang deine Stimme,

Und mit dem Wort gabst du ein lieblich Blicken,

Das fiel in’s durst’ge Herz, labend Erquicken,

Als wenn im Dunkel Morgenröte glimme.

 

Jo sempre t’amero, auch wenn im Grimme

Mir Leid, Weh, Not das Leben möchte schicken,

Die Worte sing’ ich laut noch mit Entzücken,

Wenn ich den dunkeln Fluß hinunter schwimme.

 

So tönte Orpheus Laute in den Wogen

Und widerklang das tiefe Bett des Flusses,

Die Ufer klagten nach ihr Ach! und O!

 

Wenn schon der Tod gespannt den finstern Bogen,

Denk’ ich des Blicks, des Klangs, des süßen Kusses,

Und singe leis’: Jo sempre t’amero.

 

---                                                         

 

Durch lichte Liebe wird das Lied zum Leide,

Schnell fachen sich in Glut an helle Kerzen,

Das rote Leben brennt im tiefen Herzen

Und stumme Freude wird beredter Friede.

 

Willkommen denn! törigt, wer euch vermiede,

Ihr heilgen Tränen, tiefe Trauer, Schmerzen

Sind Wunden, worein Liebe treibt ihr Scherzen.

Wahn, holder, bleib auf meinem Augenliede,

 

Bewohne Geist und Sinn: wer dich vertriebe,

Der nähme meinem Geist das Licht der Seele,

Das, was ich suchte stets, das Unbekannte.

 

Ich weiß selbst nicht, wonach mein Herz entbrannt,

Wonach in Tränen ich mich lechzend quäle. –

Sucht auch die Liebe mehr noch als die Liebe?

 

---                                                         

 

O süßes Rot der Lippen, hold geteilet,

Ein liebend Paar, in ungetrennten Küssen,

Du Blumenlager, wo die Sorgen müssen

Im Spiel mit Liebesgöttern fliehn geheilet.

 

Wie über diesen Flammenweg hineilet

Der goldne Ton, geläutert von den süßen,

Sie küssend, und geküßt, um abzubüßen,

Daß er entflieht, nicht auf den Rosen weilet!

 

Wenn Tone über diese Straße fliegen,

Sind sie noch süßer als die Nachtigallen,

Sie wehen Blumenduft und Frühlingsklänge:

 

Darf sich mein Mund an ihre Röte schmiegen,

So saug ich trunken Frühling, Düfte, allen

Klang und den Geist der himmlischen Gesänge.

 

---                                                         

 

Schön bist du, doch nicht rührte mich die Schöne,

Nicht konnte mich der Augen Licht besiegen,

Und nicht der Händ’ und Arm’ holdselig Schmiegen,

Nicht drang zum Herze die Gewalt der Töne:

 

Wohl fühlt’ ich, wie sich rings die Welt verschöne

Von deinem Glanz, es müßte jeglich Kriegen

Mir im versöhnten Herzen stille liegen,

Daß sich der Friedensgeist mit mir versöhne.

 

Nicht war ich mein und auch noch nicht der Deine,

Es kamen, gingen räthselvolle Stunden,

Da schaltst du, Alma, meines Herzens Säumniß,

 

Ein Licht flog aus der Augen hellem Scheine,

Da hatt’ ich dich, Schönheit und Lieb’ empfunden

Im süßesten unnennbaren Geheimniß.

 

---                                                         

 

Wann sich der Frühling zu der Erde neiget,

Ein grünes Lager stellt er sich zurechte,

Durchschlummert hold die hellen warmen Nächte,

Sein Traum in Blüte, Farb’ und Duft aufsteiget;

 

Manch Waldgesang zum Schlaflied schallt, es zeiget

Nachtgall sich gegen Nachtgall im Gefechte,

Es quillt der Blumen liebliches Geschlechte

Wie sich der Busen schlafend hebt und neiget:

 

So schläft die Liebe in noch schönerm Bette,

Alma, in dir, sie regt die zarten Brüste,

Sie träumt in Worten und in lichten Blicken;

 

Als ich den Traum von deinen Lippen küßte,

Band mich an’s Lager eine goldne Kette,

Ein jeder Ring Lust, Sehnsucht, Schmerz, Entzücken.

 

---                                                         

 

Wunder erregen sich mir im Gemüte,

Das Herz blüht auf licht in Gesangesfülle,

Ein innig Sehnen schwebt in sanfter Stille,

Denken, Gefühl, Ahndung in süßer Blüte.

 

Die Blumen schaun mich an mit linder Güte,

Der Strom, der Wald spricht von des Segens Fülle,

Die Sternwelt winkt aus dunkelblauer Hülle:

„Verkünde uns, dies ewge Feuer hüte!“

 

Soll ich von euch, ihr Kinder, hellen Lichter,

Luft, Wasser, was ihr mir vertrautet, sprechen?

Ruft ihr unmündige Waisen mich zum Dichter?

 

So muß ich denn mein langes Schweigen brechen:

Liebe nur ist was in euch schwebt, blüht, zündet,

Und Liebe sei von meinem mund verkündet.

 

---                                                         

 

Alma, dein Name tön’ in fernen Zeiten,

Mein Lied mir einst die schönsten Herzen rühren,

Wenn künftge Dichter ihre Sprüche zieren,

Nennen sie dich zum Schluß der Seltenheiten.

 

Du willst, Holdselge, ferner süß mich leiten,

Ich soll der Dichtkunst Flügelroß regieren,

Begeistert es durch Wunderland zu führen,

Die Lieder fliegen fort in helle Weiten.

 

Vieles vergeht, nicht was ich dann will singen,

Was mir in’s Herz die Liebe selbst geschrieben,

Und was austönen goldbeschwingte Reime.

 

Empfinden Liebende die spielnden Träume,

Sie fragen: wer hat so gefühlt das Lieben?

So wird mit deinem auch mein Name klingen.

 

---                                                         

 

Holdselger Überschwang von Leid und Freuden,

Als Abendlüfte in den Buchen wühlten,

Sehnsucht und Lust in grünen Blättern kühlten!

O Lust und Leid, wollt ihr nie von mir scheiden?

 

In Dunkel will sich Wald und Fels schon kleiden,

Wie unter mir geschwätzge Wogen spielten,

Indes zum Herzen süße Stimmen zielten,

Die Stern erglühten. – „Ach, was soll ich leiden?“

 

Seufzt’ ich. Ein Wetter zog mit ernstem Schweigen

Herbei, als Wald, Fels, Wogen aus den Talen

Santissima Maria widerklangen,

 

Leid, Friede, Sehnsucht, Frühling in mir schwangen

Ahnend ihr künftiges Leben, Sturm und Qualen;

Schon unbewußt dir und der Liebe eigen.

 

---                                                         

 

Dein harrend, sinnend, ganz von Liebe-Denken

Umringt, von Schmerzen, die mich hold umspielen,

Muß ich dein Fernsein mir recht nahe fühlen,

Aus Baum und Blüte steigen sie und senken

 

Sich in mein Herz, mit Tränen lächelnd schenken

Sie Kinderblicke, alle Strahlen zielen

Nach meinen Herzens-Augen; lieblich kühlen

In Tränen möchte sich dies Angedenken.

 

So bin ich doch, Alma, an deiner Seite,

Dir lacht Grün, Himmelblau, des Sees Glänzen,

Aus duftger Luft spricht Lieb’, aus Waldgefieder;

 

Vernimmt dein Ohr die süßen Liebeslieder,

Siehst du winken nach mir in Blumenkränzen

Die Liebe, wird ein Nahsein jede Weite.

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An -

1773 – 1853

Unfreundlich, krank, betrübt begann mein Leben,

Den Todesstrom vernahm ich unten schallen,

Da floh ich zu der Dichtkunst goldnen Hallen

Und bot dem Musengott mein liebend Streben.

 

Bald wollte sich der Busen frischer heben,

Dich wählt ich mir zum Freunde aus von allen,

es sollte dir nur, was ich tat, gefallen,

Auf Freundschaftsfittig himmelan zu schweben.

 

Ein kühnes Licht erhob sich in dem Dunkeln,

Es blüthen aus dem Tode schöne Blumen,

Dein Auge sah ich leitend vor mir funkeln:

 

Wie rief es mich zu jenen Heiligtumen! –

Die Blume welkte, die ich mir erlesen,

Und den verlor ich, der nie mein gewesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Friedrich Toll

1773 – 1853

Als ich mich selber schalt für einen Toren,

Der allerherbste Schmerz mich wollt’ erdrücken,

Vorüber Hoffnung, Zutraun und Erquicken,

Daß ich irrwähnend ihn als Freund erkoren:

 

Da fand ich dich und wurde neu geboren,

Die Ahndung sprach: nein, laß dich nicht berücken,

Es darf dir auch mit diesem Freund nie glücken,

Denn kaum gefunden, ist er dir verloren.

 

Ein gleiches Liebesband schien uns zu einen,

Ein doppelt Glück entgegen uns zu lachen,

Ein Morgenschimmer freundlich aufzusteigen;

 

Doch mußt ich bald den süßen Trug beweinen,

Das Abendrot schien auf den stillen Nachen,

Die Nacht empfing dich und das ewge Schweigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Wilhelm Heinrich Wackenroder

1773 – 1853

 

I.

 

Du sahst, wie tief mich beugte sein Entfernen,

Da kam mir freundlich deine Lieb’ entgegen,

Da fiel in’s dürre Herz der frische Regen,

Der Himmel glüht’ mit neuen Liebessternen.

 

Wie sehr ich zagte, mußt’ ich wieder lernen,

Wie Seelen-Eintracht kann das Herz bewegen,

Trotz Stürmen mußten sich die Wogen legen

Und goldne Zukunft winkt’ aus frohen Fernen.

 

Du gabst mir Trost, ich gab dir Mut zum Leben.

Wir sprachen: nie soll Leid uns niederdrücken!

Ein ew’ger Frühling schien uns anzublicken.

 

O Hoffnung! Irrtum! Wahnsinn! Eitles Streben!

In kalten ew’gen Sternen war beschlossen

Das Leid, das sich seitdem um mich ergossen.

 

 

II.

 

Wenn das Gewühl der Welt mit tausend Banden

Um Auge, Sinn und Herz sich wollte stricken,

So durft’ ich nur in deine Augen blicken

Und alle Zweifel, alle Rätsel schwanden.

 

Ich sah, wie sich die gift’gen Schlangen wanden,

Den Vater samt den Kindern zu erdrücken,

Und wie kein Gott wollt’ Hülfe niederschicken,

Fast unbewußt die Armen hülflos standen.

 

So wird der Mensch von Angst und Pein getrieben,

Der stolz und zornig der, in Lüsten glühend,

Von Habsucht der erstickt, von gift’gem Neide:

 

Dann sah ich dich in stiller frommer Freude

Im ewigen Gebete niederkniend

Einsam Natur und Gott und Himmel lieben.

 

 

III.

 

Noch faßt’ mein Herz nicht seine eigne Wunde.

Als alle, die dich kannten und dich liebten,

Mit ungewohntem Kummer sich betrübten,

Ging mir vorbei der Kelch der bittern Stunde.

 

Ich bin noch so wie sonst mit dir im Bunde,

Mir ist, daß wir wie ehedem uns übten.

An edlen Dichtern freun, den vielgeliebten,

Als brächt’ ein Brief von dir mir frohe kunde.

 

Schon sonst bin ich von dir entfernt gewesen,

Und du und deine Liebe schien ein Träumen,

Und ich besaß dich nur durch meinen Glauben:

 

So kann ich nun in Blumen, Sternen lesen

Von dir, mein Freund, entfernt in größern Räumen.

Nicht Zeit, nicht Tod kann dich mir jemals rauben.

 

 

IV.

 

Wie Wißbegierge künstlich Gläser schleifen,

Sich Sonne, Mond und Sterne nah zu bringen,

Kühn in ein weit entlegnes Land zu dringen,

Verwegen durch das Firmament zu streifen;

 

Kann denn so ferne Frucht dem Forschen reifen?

Daß ihnen, Sterblichen, es darf gelingen,

Sich stolzen Flugs zum Himmel aufzuschwingen,

Den Lauf der ew’gen Lichter zu ergreifen?

 

So dient, mein Heinrich, mir dein Grab zum Rohre,

Die Erde hintert nicht den mut’gen Seher,

Und nicht das trüb’ plutonische Gewässer;

 

Seitdem du eingingst durch die dunklen Tore,

Fühl’ ich durch Erd’ und Grab und Tod dich näher,

Sie zeigen heller deinen Geist und größer.

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Kampf

1773 – 1853

Wohl gilt es Sturm und Krieg ist vorgeschrieben

Dem Manne, der gewappnet steht zum Streite,

Doch wer des Friedens wegen Kämpfe scheute,

Ist niemals noch dem Himmel treu verblieben.

 

Des Einen Leben ist ein ewig Lieben,

Ihm gibt die Kunst freiwillig sich zur Beute,

Der Andre schweift durch Land- und Meeres-Weite,

Vom Schicksal ohne Rast umher getrieben.

 

Die goldne Frucht vom Wunderbaum zu brechen,

Geht Herkules rasch nach des Hesperiden,

Nach mühevollem Kampf gekrönt zum Gotte.

 

Er zwang vorher manch wild’ unbänd’ge Rotte;

Bervor er einging zu dem ewgen Frieden,

Durft’ Fried’ und Freude nicht die Stärke schwächen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         An Friedrich Schlegel

1773 – 1853

In Cento liegt das ew’ge Feu’r verhüllet,

Dem großen Vater ringt es stets entgegen

Mit süßen sehnsuchtsvollen Pulsesschlägen,

Daß Baum und Blum’ zum blauen Äther quillet.

 

Doch wird ihm oft nicht so die Brunst gestillet,

Dann muß dem wild zerstör’nden Flammen-Segen

Sich Blume, Flur und Waldberg seitwärts legen,

Dann klopft der Erde Herz hoch lusterfüllet.

 

In’s alte Chaos will die Welt zerrinnen,

Die heil’ge Furcht kann sie zurück nur halten,

Die Braut entzieht sich noch der Hochzeitsfeier.

 

Die Geister woll’n die lichte Nacht gewinnen,

Und sänft’gen sich in tausendfach Gestalten,

Im reinen Zorn glänzt oft das Liebesfeuer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Tieck                         Erkennen

1773 – 1853

Als im Ruin die Welt sich wild geboren,

Das Chaos in den Formen ist zersprungen,

Die Zeit sich in die Ewigkeit gedrungen,

Die Schöpfung einging zu den offnen Toren,

 

Hat sich manch ew’ger Keim im Sein verloren,

Manch alter Strahl der Erde eingeschwungen,

Beglückt, wer von Verwirrung nicht bezwungen,

Ein lichtes Bild der Ewigkeit erkoren.

 

Verworren schaffen sich die Kreaturen,

Ein Schattenheer, ihr Streben finster, sündlich,

Zerstörung in den schaffenden Naturen;

 

Heil dem, der durch die Weisheit froh und kindlich;

Er wandelt auf den alten sel’gen Fluren,

Ist durch selbsteigne Kraft unüberwindlich.